Der Widerstand gegen D&I, den wir derzeit in den USA – aber nicht nur dort – erleben, wird oft damit begründet, dass D&I mit einer Leistungsgesellschaft unvereinbar sei.
Ich habe immer argumentiert, dass wir am Leistungsprinzip festhalten müssen, auch wenn wir versuchen, die Vielfalt unserer Belegschaft zu erhöhen. Meiner Meinung nach schliessen sich Vielfalt und Leistungsgesellschaft nicht gegenseitig aus. Richtig angewandt, kann D&I sogar dazu beitragen, wirklich faire und leistungsorientierte Organisationen zu schaffen.
Aber wir müssen unbedingt besser darin werden, Fähigkeiten, Leistung, Potenzial und Verhalten objektiv und fair zu bewerten! Unbewusste Vorurteile, Stereotypen und andere kognitive Verzerrungen machen dies viel schwieriger als wir denken.
Hier nur einige der gut dokumentierten Unconscious Bias, die sich negativ auswirken:
- Affinity Bias: Wir bevorzugen unbewusst Menschen, die uns ähnlich sind. Dies beeinflusst, wie wir ihre Leistung und ihr Verhalten beurteilen.
- Sympathie-Bias: Wenn Frauen anspruchsvoll und (zu) selbstbewusst auftreten, verlieren sie deutlich mehr Sympathiepunkte als Männer, die sich ähnlich verhalten.
- Altersdiskriminierung: Ältere Arbeitnehmer gelten automatisch als weniger innovativ und flexibel.
- Mutterschaft: Berufstätigen Müttern wird unbewusst unterstellt, weniger engagiert oder gar weniger kompetent zu sein.
Angesichts dieser „unbequemen Wahrheiten“ stellt sich die Frage: Wie können wir eine echte Leistungsgesellschaft schaffen? Wie können wir die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wirklich eine faire Chance haben, aufzusteigen, wenn sie gute Leistungen erbringen?
Die Behauptung, eine Leistungsgesellschaft zu sein, reicht nicht aus – davor warnt der MIT-Professor Emilio Castilla. Vor fast einem Jahrzehnt war er Mitverfasser einer Studie über das „Leistungsparadoxon“, die zeigte, dass Manager, die meritokratische Werte betonen, oft männliche Mitarbeiter gegenüber ebenso leistungsstarken Frauen bevorzugen und ihnen höhere leistungsbezogene Belohnungen zukommen lassen.
Wie kann also eine wirklich leistungsorientierte Kultur gefördert werden? Ein wichtiges Instrument, um gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle Talente zu schaffen, ist die Gestaltung der Personalprozesse. Dazu gehört eine Anaylse dieser Prozesse, um die Momente im Lebenszyklus eines Mitarbeitenden zu identifizieren und anzugehen, in denen Vorurteile typischerweise Wahrnehmungen und Beurteilungen beeinflussen und somit die Ergebnisse verzerren.
Richtig angewandt, kann D&I die Schaffung wirklich meritokratischer Organisationen sogar fördern.